Die 8 Themen der Neutralität

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Für eine Neutralität die solidarisch ist mit den Schwachen

von Pascal Lottaz

Die integrale Neutralität ist der Grundsatz «zuerst einmal nicht schaden».

Neutralität ist das Prinzip der Kriegsverweigerung—wir schwingen uns nicht aufs hohe Ross und entscheiden an wessen Seite wir für wen oder was kämpfen. Wir bleiben dem Kampf selbst fern. Neutralitätsgegner behaupten gerne, das sei isolationistisch, unsolidarisch, oder egoistisch. Doch das umgekehrte ist der Fall. Sich dem Krieg zu verweigern ist die beste Art zu helfen, indem wir nicht noch mehr Leiden verursachen, das die Schwächsten und Ärmsten auf allen Seiten am meisten trifft. Wer Teilnahme am Krieg fordert, der fordert auf, mehr Arme und Schwache zu opfern für die Ziele des Grosskapitals, das sicher immer weit hinter den Frontlinien versteckt und Profit schröpft. Ebenso sind Sanktionen ein Mittel zum Wirtschaftskrieg welches die Schwächsten und Ärmsten am schlimmsten trifft, was wir aus Prinzip ablehnen müssen.

Wer Krieg mit Krieg bekämpfen will, hat nicht verstanden, dass er schon verloren hat. Krieg lässt sich nur mit Mitteln der Konfliktverweigerung eindämmen und reduzieren. Neutralität ist eine aktive Form der Konfliktverweigerung und eine der besten Methoden zur Konfliktresolution. Neutralität steht nicht, wie manche behaupten, für “Abschottung” oder “Isolation”. Im Gegenteil: die Neutralitätsinitiative verpflichtet die Schweiz sich einerseits nicht an kriegstreibenden Militärbündnissen anzuschliessen und andererseits aktiv für die Konfliktlösung einzusetzen. Beides ist in aller erster Linie im Interesse der Ärmsten und Schwächsten dieser Welt.

Denn eines ist klar: in allen Kriegen leiden immer die Armutsbetroffenen am meisten, während Waffenfirmen und deren Aktionäre massiv verdienen. Das gilt auch für den Ukrainekrieg, in dem das ukrainische und russische Volk sich gegenseitig ausbluten, während der militärisch-industrielle Komplex der kriegsführenden und kriegstreibenden Staaten wächst und wächst. Mit jeder Eskalation werden mehr Rüstungsgüter nachgefragt, todbringende Gerätschaften verkauft, riesige Gewinne erzielt. Kurz: Kriege bringen vielen den Tod und dem Grosskapital satte Profite. Das können und wollen wir Linken und Grüne nicht unterstützen.

Es ist zum Beispiel richtig und wichtig, dass die Schweiz keine Waffen in Kriegsgebiete exportiert, oder den Rückexport von Kriegsmaterial zulässt, denn dies würde nur dazu führen, dass wir einer Arbeiterklasse dabei helfen, die andere Arbeiterklasse zu töten. Anstatt in Kriegen nach «gut» und «böse» zu unterscheiden, muss die Schweiz sich dafür einsetzen den Krieg an sich als Übel einzudämmen und darin besteht der Kern der Neutralitätsinitiative.

Die korrekte Antwort auf Krieg im Ausland ist nicht der Anschluss an die eine oder andere Seite aus ideologischen Gründen — das verschlimmert nur die Situation — sondern die Hilfe zur Linderung des Schreckens, der von Krieg verursacht wird. Die Unterstützung des Roten Kreuzes, das Anbieten von Guten Diensten, der Versuch der Mediation, und die Versorgung von Flüchtlingen egal von welcher Seite, das sind richtige Antworten auf Gewalt im Ausland. An diese humanitären Traditionen knüpft die Neutralitätsinitiative an und will sie in die Verfassung schreiben.

Einer der wichtigsten Grundsätze der Medizin muss auch in der Aussenpolitik gelten: «Primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare» — Zuerst einmal nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen. Eine integrale Neutralität, die dafür sorgt, dass wir uns der Kriegslogik verweigern, stellt am besten sicher, dass wir diesem Leitspruch folgen und nicht durch Beihilfe am Konflikt einer Seite helfen der anderen Seite zu schaden. Sie stellt auch sicher, dass wir uns vorsichtig verhalten und nicht in der Hitze der medialen Berichterstattung oder der emotionalen Bilder hinter eine Seite stellen, was wir im Nachhinein bereuen würden. Und zu guter Letzt hilft sie uns beim Helfen, denn nur wer sich politisch auch verifizierbar neutral verhält, hat eine Chance als Vermittler und Vertrauter aller Seiten den Kriegsführenden Staaten beizustehen aus der Gewaltspirale wieder zu entkommen—oder zumindest das Leiden ein wenig zu lindern.

Genau gleich verhält es sich mit Sanktionen, denn diese sind ebenso ein Kriegsmittel wie Bomben, Kugeln, und Gewehre. Sanktionen haben zum Ziel, Wirtschaftszweige in anderen Ländern zu dezimieren oder gar zu zerstören und dadurch Leiden in der Zielbevölkerung zu verursachen, damit diese sich gegen die eigenen Regierungen wenden. Es ist ein perfides Spiel, Leiden in anderen Bevölkerungen nähren zu wollen, damit diese das tun, was wir wollen. Die ganze Idee von Sanktionen ist gebaut auf kolonialem Grossmachtsdenken. Wir, mit unserer mächtigen Wirtschaft, können und dürfen ausländische Wirtschaften bedrohen, beherrschen, oder sogar zerstören, wenn wir das für «gerecht» halten. Das kann man aus linker Perspektive auf keinen Fall gutheissen.

Darüber hinaus führen Sanktionen so gut wie nie zu einem «Regime Change» oder einer Anpassung von nationaler Politik. Nord-Korea ist sanktioniert seit 1950, Kuba seit 1962, Iran seit 1979, Russland seit 2014. Die Liste geht weiter und weiter, und alles, was diese Sanktionen bewirken, ist Verarmung und Leiden in der Arbeiterklasse zu fördern.

Abgesehen davon, dass die Zeiten längst vorbei sind in denen Europa — geschweige denn die Schweiz — andere Wirtschaften zerstören kann, sollten solche brachialen Methoden der Wirtschaftspolitik auf keinen Fall einfach zum Grundrepertoire unseres Staates gehören. Genauso wie Waffengewallt nur in ganz wenigen Fällen Völkerrechtlich in Ordnung ist — nur zur Selbstverteidigung — so sollten auch Methoden des Wirtschaftskrieges nur in absoluten Ausnahmefällen zur Anwendung kommen und nur dann, wenn sie Völkerrechtskonform vom UNO-Sicherheitsrat beschlossen werden. In allen anderen Fällen sollten wir uns behutsam auf den Grundsatz besinnen «zuerst einmal nicht schaden».

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